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"Der deutsche Arbeitsbegriff war immer antisemitisch, aber Hitler und die Nationalsozialisten haben ihn radikalisiert."

 
 

Schon bevor sie an die Macht kamen, gab es die Vorstellung, dass die Deutschen eher für die Familie oder den Betrieb arbeiten würden als für sich selbst. Die Nationalsozialisten haben das zugespitzt und daraus die Idee gemacht, dass deutsche Arbeit immer für die Volksgemeinschaft passiert – und zwar für eine als arisch verstandene Volksgemeinschaft. "Der Jude" war für sie derjenige, der egoistisch arbeitet und diese Gemeinschaft zersetzt. 

Aber auch sogenannte Asoziale oder Arbeitsscheue: Bettler, Obdachlose und Langzeitarbeitslose, die man als Erziehungsmaßnahme zur Arbeit zwang – teilweise bis sie daran starben; Menschen in psychischen Krisen oder mit körperlichen Beeinträchtigungen wurden als nutzlos erklärt und umgebracht; Sinti und Roma getötet, weil ihre Einstellung zur Arbeit angeblich die Volksgemeinschaft zersetzen würde.

 

Lelle: Die gibt es. Der Leistungsbegriff war bereits im 19. Jahrhundert populär. Die Nationalsozialisten haben ihn als Kriterium aufgegriffen, um die Arbeit der Deutschen zu bewerten. Dass Arbeit ein Dienst an der Volksgemeinschaft sein soll, sagt schließlich noch nichts darüber aus, wie sie im Einzelfall als gut oder schlecht zu beurteilen ist, ob zu langsam oder unproduktiv gearbeitet wurde. Erst der Leistungsbegriff hilft zu erkennen, wie viel Dienst in der Arbeit steckt.

 



 

 

Lelle: In dieser Idee gibt es kein oben und unten, das konnten die Nationalsozialisten den Leuten gut verkaufen: Egal ob Angestellte oder Unternehmer, alle arbeiten für die Volksgemeinschaft, so lange sie gut und viel arbeiten

 

Lelle: Die jetzige deutsche Führungskultur wurde sehr durch das Harzburger Modell geprägt, entwickelt von Reinhard Höhn in den 1950er Jahren. Es wurde bis Anfang der 1970er Jahre als das Managementmodell schlechthin gelehrt. Darin wird viel Wert darauf gelegt, mit Angestellten zu sprechen – sie sollen keine Untergebenen sein, sondern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihnen wird mehr Freiheit zugestanden, Aufgaben werden an sie delegiert. Diese Idee stammt letztlich auch von den Nationalsozialisten, selbst wenn das unserem Bild erst mal widerspricht. Wir denken bei den Nationalsozialisten immer an Kadavergehorsam und den Führer. Aber es ging auch um Unterführer und Gefolgschaft und vor allem um die Delegation von Verantwortung, um Eigenverantwortung. Und das klingt erst mal nett und liberal, auch heute noch.

"Wir müssen verstehen, dass Praktiken von Faulheit und Müßiggang sinnstiftende Tätigkeiten sind, auch Solidarität."

Nikolas Lelle, Sozialphilosoph